Gebäude sind Orte historischer Ereignisse und Träger unterschiedlicher Biografien und Gefühle. Für Erinnerungsflächen hat dieDAS – Design Akademie Saaleck 2020 im Rahmen eines gemeinsamen Semesterprojekts mit dem Fachbereich Design an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle Studierende eingeladen, die Bedeutung historischer Oberflächen für das Erzählen von Geschichte zu untersuchen und temporäre narrative Interventionen für die Außenwände des dieDAS-Geländes zu entwickeln. Die dabei entstandenen Projekte sollten helfen, die Geschichte der Saalecker Werkstätten, dem früheren Wohn- und Arbeitsort des Rassenideologen Paul Schultze-Naumburg (1869–1949), öffentlich zu vermitteln. Die fertigen Vorschläge der Studierenden wurden während unseres ersten Tags der offenen Tür im August 2020 in einer Ausstellung präsentiert.
Gerade vor dem Hintergrund der Pandemie, ist es insbesondere dem Einfallsreichtum und der Sorgfalt der Studierenden und ihrer Dozent*innen zu verdanken, dass die historischen Mauern der dieDAS-Gebäude im Rahmen von Erinnerungsflächen zum Sprechen gebracht werden konnten. Die fünf ausgestellten Entwürfe arbeiten allesamt mit aussagekräftigen Bildern und Symbolen, nehmen linguistische Analysen vor oder setzen auf Tonelemente. Sie stellen wichtige Fragen und bieten einen Einblick in die Geschichte, Gegenwart und die mögliche Zukunft der Saalecker Werkstätten.
Unser Dank gilt den Studierenden und ihren Dozent*innen, insbesondere Janna Nikoleit, Dr. Pablo v. Frankenberg, Tom Hanke sowie der Professorin Rita Rentzsch für ihr Engagement und ihre Kooperation.
Dieses Projekt stellt die Veränderung von Sprache und Bedeutung im Laufe der Zeit in den Mittelpunkt. Die Begriffe „Heimat“, „Kunst“, „Identität“ und „Natur“ hatten für Paul Schultze-Naumburg allesamt eine herausgehobene Bedeutung. Fünf interaktive Objekte entlang der Mauern von dieDAS laden die Passant*innen dazu ein, mit diesen aufgeladenen Begriffen auf überraschende Art und Weise zu interagieren. So bietet Willis’ „Heimatmaschine“ den User*innen beispielsweise die Möglichkeit, ihre Wunschheimat auszuwählen, während man über das „Identitätstelefon“ mit Schultze-Naumburg selbst ins Gespräch kommen kann. Der Pfad entlang der Mauer setzt auf Sprache als einem kreativen und flexiblen Medium – und macht einmal mehr deutlich, inwiefern sich die Bedeutung bestimmter Begriffe verändert.
Heimat ist ein Begriff, der sich im Zentrum ständiger globaler Diskussionen befindet. Oft wird er bemüht, um bestimmte Menschen auszuschließen – wie in der Arbeit des Rassenideologen Paul Schultze-Naumburg. Es ist ein schillerndes Wort, das mit unterschiedlichen öffentlichen und persönlichen Bedeutungen aufgeladen ist. Die Audioinstallation nähert sich dem Konzept von Heimat entsprechend aus einer Vielzahl von Perspektiven. Und während die Passant*innen den Gedanken anderer über Heimat lauschen, werden sie idealerweise dazu angeregt, sich ihre eigenen Gedanken zu machen.
Wiederholt sich die Geschichte? Diese Installation taucht tief in Paul Schultze-Naumburgs Schriften über Architektur ein, die durchgehend von wertenden Unterscheidungen geprägt sind. Ein interaktiver Audio-Parcours entlang der äußeren Mauern von dieDAS zeigt Parallelen auf zwischen Schultze-Naumburgs Rhetorik und derjenigen in gegenwärtigen Architekturdiskursen im Internet. Kommentare und Memes aus heutigen Sozialen Medien machen deutlich, wie schnell Debatten in Rassismus umschlagen können. Neben der Mauer des Gebäudes sind blaue synthetische Harzabgüsse von Mauerstücken aufgestellt. In diesen Abgüssen sind aktuelle Stimmen zu hören, in den Audiostationen in der Mauer selbst erklingen dagegen die historischen Ideen von damals.
Dieses Projekt untersucht, inwiefern Schultze-Naumburgs fremdenfeindliche Ideen zum Heimatschutz auch heute noch weiterbestehen. Elf Paneele sind in die Außenseite der Mauer des dieDAS-Geländes eingelassen. In jedem von ihnen wird in Film, Ton und Text darauf verwiesen, wie der Begriff des Heimatschutzes heute von bestimmten Gruppen als Waffe eingesetzt wird und in welcher Beziehung er zu Konzepten des Denkmalschutzes, der Heimat, Heimatarchitektur und noch vielem mehr steht.
Schärfende Blicke besteht aus der Kupferskulptur einer übermenschlich großen Figur. Sie sitzt oben auf der Einfriedung. Wer einen näheren Blick wagt, wird mit einer Überraschung belohnt – durch einen der Füße der Skulptur kann man einen Blick auf den liebevoll gestalteten Park hinter der Mauer erhaschen. Ein ausgetüfteltes visuelles Leitsystem innerhalb des Kunstwerks erlaubt die Überlagerung idyllischer Naturszenen mit Zitaten des ehemaligen Besitzers des Grundstücks, Paul Schultze-Naumburg. Betrachter*innen folgen Schultze-Naumburgs Entwicklung von einem Naturliebhaber zum Rassenideologen und lernen dabei mehr über die Geschichte des Orts.