- Germane Barnes
Immer häufiger lassen ehemals ausgeschlossene Stimmen die Versäumnisse und diskriminierenden Praktiken von Architektur und Urbanismus deutlich werden – und machen eine umfassende, konstruktive Bestandsaufnahme dieser Disziplinen um so nötiger. Wurden globaler Terror und Auseinandersetzungen bislang vor allem politisch und militärisch begriffen, so tritt langsam, aber deutlich nun auch deren räumliche Dimension zutage. „Design Justice“, oder „Design-Gerechtigkeit“, drängt durch die Ritzen, die von der populären Architekturtheorie und ihren Diskursen oft genug dicht verschlossen wurden. Eine solche Hinwendung zu egalitäreren und nicht-westlichen intellektuellen Ansätzen liefert den Anstoß für das dieDAS-Fellowship 2023 mit dem Titel Monumental Affairs. Designer*innen, Theoretiker*innen, Architekt*innen, Kritiker*innen und weitere Akteur*innen sehen sich vor diesem Hintergrund mit der Herausforderung konfrontiert, die Narrative und die Notwendigkeit von Denkmälern infrage zu stellen.
Monumental Affairs fragt: Wie geht der Prozess der Kanonisierung überhaupt vonstatten? Wer bestimmt, welche Architektur in diesen Kanon eingeht? Welche offensichtlichen oder auch subtilen Formen der Unterdrückung sind dabei am Werk? Und wie lässt sich der Begriff des öffentlichen Raums dazu verwenden, einmal kanonisierte Denkmäler zu demontieren?
dieDAS bietet mit seinen Räumen in Saaleck, Deutschland – dem ehemaligen Wohn- und Wirkungsort des deutschen Architekten und Rassen-Ideologen Paul Schulze-Naumburg und ein früheres ideologisches Zentrum des totalitären Nationalsozialismus – ein belastetes, aber eben auch fruchtbares Umfeld, um taktischen Urbanismus im Sinne architektonischen und räumlichen Widerstands zu begreifen und anzuwenden. Die interdisziplinäre Gruppe, die sich dort einfinden wird, soll versuchen, Architektur als Vehikel für eine alternative Geschichtsschreibung zu verstehen. Die entwickelten Ideen zum Design sollen zudem in Workshops zu Rassismus, Ethnizität, Immigration, Identität, Vertreibung und Nationalismus einfließen. Monumental Affairs stellt sich der kontaminierten Vergangenheit dieses historischen Ortes, seinem umstrittenen Erbe und der ehemals dort praktizierten Exklusion nicht-weißer Architekt*innen und Gestalter*innen.
dieDAS geht diese Themen direkt an und hat dabei stets die Dringlichkeit wie auch die Möglichkeiten der gegenwärtigen globalen Situation vor Auge. Es soll ein Umfeld entstehen, das von Rigorosität, Reflexion und Imagination geprägt ist.
Germane Barnes
Künstlerischer Leiter, dieDAS 2023
- Zeno Franchini
- Ido Nahari